Das erste Stadionerlebnis prägt einen Fußballfan meist für immer. Man macht große Augen, saugt die Atmosphäre auf und verliebt sich idealerweise in einen Klub, dem man dann für den Rest seines Lebens die Stange hält. Egal, wie schmerzlich das auch werden und in welcher Liga das auch enden mag. In meinem Fall war es aber die total perfekte Premiere. Erste Bundesliga, 6:1-Kantersieg, den roten Brustring fortan noch fester im Herzen tragend, VfB Stuttgart forever. Die weitere Story ist bekannt.
Doch was macht die nächste Generation? Der VfB, das muss man einfach sagen, ist gerade nicht unbedingt der letzte Schrei. Und so liebäugelt der eigene Nachwuchs schon sachte mit der erfolgreicheren Konkurrenz und schwärmt unverhohlen für Schweini. Man kann also nicht früh genug damit anfangen, die richtigen Weichen zu stellen. Kluge Worte allein („Der Chef von Bayern ist ein Bandit und sitzt im Knast“) helfen da aber nix. Und mit einem Hansi-Müller-Poster kannst Du heute sowieso nicht mehr kommen.
Höchste Zeit für einen Stadionbesuch in Stuttgart also. Bloß zu welchem Spiel? Bayern? Vergiss es. Gegen Dortmund oder Gladbach? Viel zu riskant! Nein, man wählt extra das Derby Nachbarschaftsduell gegen die vermeintlichen Pfeifen von der Turn- und Sportgemeinschaft Hoffenheim, um das Schicksal nicht allzu sehr herauszufordern. Gegen die wurde schließlich sogar im vergangenen (Fastabstiegs-)Jahr gewonnen. Obwohl ich meinen VfB ja kenne und ihm inzwischen alles Schlechte zutraue, aber da müsste doch was drin sein, meinte ich.
Da schau her: Ein Stück Meckenbeuren in Stuttgart.
Also ab ins Neckarstadion. Dort – schließlich sind Kinder dabei – steht man natürlich nicht im Fanblock, sondern hat sich Karten für die etwas ruhigere Ecke der Arena besorgt. Und die hat einen Namen: Willkommen im Ravensburger Spieleland Familienblock! Nicht zu fassen. Und so wie im Freizeitpark kommt der Gast sich zunächst auch vor. Alle lächeln, es gibt Traubenzucker-Giveaways, der Sicherheitsmann entschuldigt sich schon fast dafür, einen scheuen Blick in den Rucksack werfen zu müssen, und VfB-Maskottchen Fritzle steht für ein gemeinsames Foto zur Verfügung (und verspricht mir per Handschlag bei der Ehre von Gerhard Mayer-Vorfelder drei Punkte). Die volle Wohlfühloase. Nur Käpt‘n Blaubär und Hein Blöd fehlen da noch. Und das Traktorbähnle durchs Hopfenfeld.
Selfie mit Fritzle? Ravensburger Spieleland Familienblock? Das Ultras-Teufelchen auf der linken Schulter sagt: „Pfui. Nieder mit dem modernen Fußball!“ Das Eventfan-Engelchen auf der rechten sagt: „Tolle Sache. Rauchfreier Block, saubere Klos, keine Saufbrüder weit und breit. Alles fein.“
Aber wichtig ist schließlich auf dem Platz™. Und da tut mein lieber VfB alles dafür, jeglichen Fannachwuchs Richtung Dortmund und München zu vergraulen. Vorne bringt er nix zustande, hinten fängt er sich zwei Dinger ein. Was für ein Drama. Immer wenn Du denkst, es geht nichts mehr, kommt von irgendwo eine noch schlimmere Flanke her. Was hat Dich bloß so ruiniert, Du Meister von 2007? Die Cannstatter Kurve kennt den Schuldigen und skandiert das, was alle denken: „Bobic raus“. Vis à vis im Ravensburger Spieleland Familienblock brechen Dutzende Kinderherzen und man selbst knurrt nur still in sich hinein: Das war nicht der Deal, Fritzle.