Ein Orca im See

Selbst den hartgesottensten Wasserratten und Kampfschwimmern dürfte das im Leben noch nicht in den Sinn gekommen sein. Und jenen, die froh sind, Mitte August bei angenehmen 24 Grad Wassertemperatur von einem Badefloß zum nächsten zu kommen, schon gar nicht: Mitte Mai im 14 Grad frischen Nass von einem Ende des Bodensees zum anderen zu kraulen. Ohne Pause, Neoprenanzug, Luftmatratze, zwischenzeitliche Einkehr im Fischlokal oder sonstige künstliche Hilfsmittel. Und zwar nicht die kurze deutsch-schweizer Strecke, nee nee. Das komplette Programm von West nach Ost. Von Bodman nach Bregenz. 64 Kilometer.

Wie verrückt das ist, zeigt sich schon daran, dass eine solche Bodenseequerung bisher wohl noch keiner geschafft hat. Zumindest läuft das, was der Stuttgarter Extremsportler Bruno Dobelmann – Kampfname „Orca“ – heute Nachmittag in Angriff genommen hat, unter „Weltrekordversuch“. Der Kerle – 53 Jahre, 110 Kilo auf 1,74 m Körpergröße – macht sowas nicht zum ersten Mal, wie man seiner Vita entnehmen kann. So hat er auch schon den Ärmelkanal durchschwommen. Naja, zumindest das Wasser des Schwäbischen Meeres dürfte deutlich leckerer schmecken. Aber davon hat er sich inzwischen ja schon mit dem einen oder anderen kräftigen Schluck überzeugt:

Gerade scheint er irgendwo zwischen Überlingen und Meersburg zu stecken, sagt sein GPS-Signal. Und der Blick aus dem Fenster sagt: klassisches Fritz-Walter-Wetter. Sonst würde ich ihn vielleicht ja vom Ufer aus anfeuern oder so. Bis jetzt kämpft er sich jedenfalls tapfer durch Sturm und Strömungen und findet bei allem auch noch die Zeit, seine aktuelle Stimmung auf Facebook zu posten – oder eher die Statusupdates seinem Begleitbootpersonal gurgelnderweise zu diktieren. Ich kann mir aber auch durchaus vorstellen, dass Männer, die man „Orca“ nennt, die Liveberichterstattung ihres Kampfes mit den Naturgewalten direkt in ihre internetfähige Taucheruhr eintippen. Egal, Bodenseebass wünscht ihm auf jeden Fall das Allerbeste für die restlichen, ähm, vierzig, fünfzig Kilometer seines Weges.


Nachtrag:
Nach rund zwölf Stunden im Wasser ist der Orca nach eigenen Worten dann doch „abgesoffen“. Um dann wenige Tage nach seiner gescheiterten Längsquerung den See einfach – in knapp fünf Stunden – in seiner Breite zu durchschwimmen…

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