Die letzte De:Bug

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Am Samstag war sie nun auch in meinem Briefkasten, die letzte gedruckte „De:Bug“. Denn bekanntermaßen ist mit der aktuellen Nummer 181 Schluss für das Magazin für elektronische Lebensaspekte. Zumindest in Printform. Und das ist schade.

Am Anfang auf Zeitungspapier gedruckt (ich fand das voll super) und kostenlos verteilt (das fand ich auch super), türmten sich damals im Plattenladen und vor dem Douala gefühlt meterhoch die Heft-Bündel. Mit dem Kiosk-Gang wurde die Auflage dann wahrscheinlich etwas überschaubarer, und in der Nische blieb man verkaufstechnisch wohl immer, aber das nach dem diesjährigen März-Heft verkündete Ende der als „Buzz“ gestarteten Zeitschrift  kam dann aber doch etwas abrupt.

Internet killed the Printmagazin. Nun haben die allgemeinen Umstände in der Medienwelt halt auch die De:Bug getroffen. 1997 aus dem Nachlass des Techno-Blattes „Frontpage“ hervorgegangen, war De:Bug so etwas wie der nerdige, kapuzenpullitragende Bruder der hedonistischeren, gleichzeitig aber bodenständigeren „Groove“. Elektronische Lebensaspekte. Musik, Medien, Kultur und Selbstbeherrschung. Das hat man sich unter den Titel geschrieben und lag damit nicht daneben. Denn man kann über die De:Bug sagen, was man will, und die unvermeidlichen Handy-Testberichte und Modeseiten ziemlich doof gefunden haben. Aber am Puls der Zeit war sie schon immer, wenn es darum ging, welche High-Tech-Sau nun als nächstes durch das digitale Dorf getrieben wird. Von so neumodischem Kram wie „Augmented Reality“ zum Beispiel habe ich vermutlich in der De:Bug zum ersten Mal gelesen. Und ich glaube sogar ich habe begriffen, um was es geht.

Und die De:Bug war wohl das letzte Printmagazin, das es sich nicht nehmen ließ, so ziemlich jede verdammte auf Vinyl erschienene Platte, die es in die Redaktion geschickt bekommen hat, zu rezensieren. Trotzdem: Rein musikalisch gesehen war die De:Bug ehrlich gesagt eigentlich schon seit Längerem kein unverzichtbarer Wegbegleiter oder gar Horizont-Erweiterer mehr. Das muss nicht an der De:Bug, das kann ganz bestimmt auch an mir liegen. Tatsache ist aber: Viele spannende Ecken haben sie dann doch ganz einfach ausgeblendet.

Mein Abo habe ich gleichwohl nie gekündigt. Die De:Bug gehörte einfach zur monatlichen Pflichtlektüre. Und einmal habe ich es sogar ins Heft geschafft (#Stolz). Als Gewinner eines Preisausschreibens (verlost wurde eine Umhängetasche, die ich immer noch habe). Fand ich damals witzig. Weil ich wohl der einzige Gewinner in der ganzen Hefthistorie gewesen bin, der nicht in Köln oder Berlin wohnt.

Aber mein 36-Euro-Jahresabo hat’s dann letztendlich auch nicht rausgerissen.
Tschüss, De:Bug. Es war ne schöne Zeit.

Alix Perez – „U“

Der Drum&Bass-Videoclip des Monats stammt (mal wieder) aus dem Hause Exit Records und sorgt für ordentlich Säbelrasseln in der Breakbeat-Bude. Wenn der gute alte photeksche Ninja-Vibe im aktuellen Halfstep-Gewand auf eine Prise Squarepusher-Flavour trifft, und das Ganze noch ein bisschen, aber nicht zu sehr, in Form gebracht wird, kommt wohl sowas dabei raus. Retro-Futurismus pur. Und eine gelungene Hommage an die Neunziger, in denen fast alles ging.

Douala – der ewige Club

Douala 80er

30 Jahre, so alt wird keine Sau, hätte mein Opa gesagt. Und so alt wird normalerweise auch kein Club. Nicht in Berlin und nicht anderswo, und auch nicht in der Pampa. Nur das Douala, dieser abgefuckte Verschlag am Ravensburger Bahndamm, trotzt unverwüstlich allen Naturgesetzen des Nachtlebens und ist immer noch da. Am 9. März 1984 – der VfB Stuttgart stand an der Spitze der Fußball-Bundesliga, die Postleitzahlen waren noch vierstellig und die Fönfrisuren saßen – eröffnete der Laden erstmals seine Türen.

Ich mag ja alt sein. Aber längst nicht alt genug, um die Douala-Anfänge mitbekommen zu haben, damals in den Achtzigern. Hans Nieswandt (From Disco to Disco), DJ, Schreiberling und am Bodensee aufgewachsen,  ist noch älter. Und alt genug, um die Douala-Anfänge mitbekommen zu haben, damals in den Achtzigern – und das auch in seinem sowieso charmant geschriebenen Büchlein „plus minus acht“ zu erwähnen:

„Es war ein Samstag im Frühling 1983 (ha, Druckfehler! Die Red.), im damals gerade neu eröffneten Club Douala in Ravensburg. Ich bekam dafür 200 Mark, was eine Menge Geld war (…). Das Douala war ein smart designter, cocktailesker Club, passend zur Popmusik der Zeit. Ich spielte alles, was amtlich war: Scritti Politti, Indeep, Malcolm McLaren, PigBag, Kurtis Blow, Run DMC, Die Krupps, Konk, Dexya Midnight Runners, Defunkt, Talking Heads, Kid Kreole, Liaisons Dangereuses, Orange Juice, T-Ski Valley, The Clash (die Disco-Phase), Jocelyn Brown, TomTom Club, Heaven 17, ABC… Dazu benutzte ich einen Plattenspieler und ein Tapedeck.“

Tja, und so wie auf dem Reklameplakat (siehe oben) sah es damals in den frühen Clubjahren wohl tatsächlich aus. Als ich selbst – viele Jahre nach Herrn Nieswandt – mein DJ-Debüt im Douala geben durfte, war aus der cocktailesken New-Romantics-Bar ein Techno-Schuppen der Oberklasse geworden. Jeff Mills, Laurent Garnier, Sven Väth. Einfach alle waren da. Vollgas. Daneben war Mitte der Neunziger aber auch der musikalische Mischmasch-Donnerstag ein ziemlicher Place-to-be. Und da, als Vertretung des Resident-DJs, stand ich zum ersten Mal in der Douala-Kanzel. Ob es auch 200 Mark dafür gab, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Aber: Es wäre auch 1995 noch eine Menge Geld gewesen. Gut, für Hans Nieswandt seinerzeit wahrscheinlich bereits nicht mehr so arg, für mich schon.

Douala Wall

Völlig gagenunabhängig gab ich natürlich mein Bestes im ungewohnten Job des Allround-DJs, aber ich glaube, die Leute hätten dann doch lieber ihren alteingesessenen Resident am Ruder gehabt. Wie auch immer. Während ich also Bucketheads, Nightcrawlers, Sens Unik, die Beastie Boys und James Last auflegte (ein stadtbekannter Indianer drückte mir in jener Nacht als Dank für „Happy Brasilia“ kurzerhand zehn Mark in die Hand – auch viel Geld damals), ließ sich ein Mädel im seinerzeit noch größeren Backstage von ihrem Privat-Friseur die Haare richten. Spätestens da wusste ich: Im Douala darf Dich gar nix wundern.

Auch keine Razzia wie jene zur Jahrtausendwende, die kurzzeitige Schließung danach – und das Comeback unter Sicherheitsstufe dunkelrot. 2002 kam dann auch der Drum&Bass zurück ins Douala. Drüben in Konstanz lief gerade die „Basslastic“ so richtig heiß, hier auf der anderen Seeseite war dagegen schon eine ganze Weile so ein bisschen tote Hose in der Sache gewesen. Dabei hatten sich ab 1997 die großen Jungle-Nasen von Ed Rush bis Bailey, von Krust bis Peshay im Douala noch die Klinke in die Hand gegeben. Aber jetzt: Drum&Bass ist tot, Alter, da geht nix mehr. Egal, man kann‘s ja mal probieren, dachte ich. Hei, Johnny, wie wär‘s mal wieder? Ja, mach mal, hieß es. Und dann haben wir das halt so gemacht. Am Anfang nur für den wirklich harten Kern, danach für immer mehr. Und – nach einem kleinen Päuschen in der Saison 2010/11 – machen wir das auch heute noch.

RTB Douala

Der diesjährige „Reclaim the Beats!“-Geburtstag ist zwar im Vergleich zum glamourösen Douala-Jubiläum ein recht krummer, aber zwölf Jahre sind ja schließlich auch nicht schlecht. Pi mal Daumen immerhin fast die Hälfte der Clubhistorie. Insofern sind wir ja auch irgendwie ein kleiner bescheidener Teil des Ganzen. Aber wir feiern erst – Preview – am 12. April 2014. Natürlich im Douala, dem ewigen Club.

Dort, wo Kemistry & Storm in einer kalten Januarnacht 1997 ein magisches Metalheadz-Gastspiel zelebriert und quasi die D&B-Lunte am Bodensee entzündet haben, wo Grandmaster Flash ebenso schon hinter den Decks stand wie zahlreiche Residents, die mit ihren eigenen Partyreihen regelmäßig das Haus rocken. Motto: Fette Beats drinnen, fettige Pommes draußen. Douala-Style, Baby. Oder, wie es im offiziellen Club-Organ heißt:

„Auch im neuen Jahrtausend nach einigen existenziellen Wirren des Clubs (wie auch der Clubscene im allgemeinen) mit dem Alltag niedriger buerokratischer Beweggruende sagen wir allen Nachtmenschen deren Lebensmotto: ‚I wanna rock my life‘ ist, ‚Beweg deinen Arsch mit Hirn und Seele, enjoy innovative Musik-Kultur & rock the 21st Century.’“

Also Happy Birthday, Du alte Hütte.

Expedit – alles muss raus

Expedit

Das Billy-Regal gilt ja quasi als Inbegriff für Ikea – gepaart mit dem hartnäckigen Vorurteil, es würde immer irgendein Kleinteil im Paket fehlen. Man kann ja über Ikea viel Schlechtes sagen, aber die Story von den fehlenden Schrauben ist ne urban legend. Ich habe ja schon viel Ikea-Kram aufgebaut. Eine Schraube hat nie gefehlt. Ich schwör. Niemals. Eher blieb zum Schluss das eine oder andere Metallteilchen oder der ein oder andere Holzstift übrig. Was im Übrigen wesentlich beunruhigender ist, könnte man doch die entscheidende Schraube zur Gewährleistung der Statik vergessen haben.

Und was den Billy-Hype betrifft: Also Schallplatten kriegst du da sicher nicht unter. Außerdem sieht’s echt scheiße aus. Plattenregal? Expedit, Baby! Was Besseres gibt es nicht, außer der Schreiner nimmt Maß. Aber das wird teuer. Also Expedit. Fasst auch größere Plattenmengen und -gewichte, ist superpraktisch und trotz Ikea-Look ästhetisch noch absolut vertretbar. Seitdem das Expedit bei mir vor Jahren schon die ollen Ivars (die mit den potthässlichen Stabilisierungskreuzen hinten) als Plattenregal ersetzt hat, kommt bei mir nix anderes mehr ins Haus. Ausgereifte Technik, Referenzprodukt, alles super.

Doch nun – #aufschrei, #shitstorm, #onlinepetition – der Schock für DJs und Vinyl-Sammler: gut drei Jahre, nachdem Technics seine 1210er-Produktion eingestellt hat, macht Ikea doch tatsächlich Schluss mit dem Topseller Expedit, räumt seine Lager und stellt im April einen Nachfolger mit dem Namen Kallax ins Sortiment. Mit anderem Design und nun – igitt – auch als Farbvariante rosa. Und – so das bitterböse Gerücht, das durchs Netz schwappt – es passen keine Schallplatten mehr rein!

Es braucht ja wahrlich nicht viel, damit der Netzgemeinde vor Wut das Maul schäumt. Eine tote Zoogiraffe zum Beispiel. Oder eben das Ende eines Regals, das man zwar längst in mehrfacher Ausfertigung zuhause hat, aber beim nächsten Umzug und so, oder wenn’s mal vergilbt ist und so weiter… Naja, es ist ernst. Ikea hat das Kultregal getötet und trotz anderweitiger Imagefilmchen (siehe unten) kein Herz mehr für Vinylfreunde. Das Skandälchen dürfte den Expedit-(Aus-)Verkauf jedenfalls nochmal so richtig angekurbelt haben. Krieg am Regal 61 in Ulm und anderswo und super Werbung für Ikea, das die Gemüter sogleich beruhigt: Keine Panik, die Innenmaße bleiben gleich. Das heißt: Platten passen nach wie vor rein. Auch vom Gewicht? Auch vom Gewicht. Nur die dicken Außenwände, die das Expedit gleichwohl erst so richtig schön gemacht haben, werden beschnitten. Damit das Ganze endlich genauso billig aussieht wie ein Billy-Regal.