Der Bodenseebass-Check: Mit dem Fernbus vom See nach München.
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Es gibt ja Leute, die Busfahren generell ablehnen. Der Autor selbst gehört da zwar nicht dazu, räumt aber ein, Busreisen von mehrstündiger Dauer seit dem Schullandheim in Klasse neun und einem eher irrwitzigen London-Trip eher zu meiden. Doch DAS Angebot war zu verlockend. Friedrichshafen-München per Omnibus, hin und zurück 21 Euro. Unschlagbar, Kampfpreis. Nur Schwarzfahren ist billiger. MeinFernbus.de nennt sich das Ganze und deckt die Linien zwischen Zürich und München beziehungsweise Freiburg und München ab. Zwischenstopps am See: Konstanz, Meersburg und eben Friedrichshafen. Wusste ich gar nichts davon, bis ich kürzlich einen der knallgrünen Busse hab rumfahren sehen. War ja bisher überwiegend dank Fernverbindungsmonopol Sache der Bahn, aber ab 2013 wird‘s von der Sorte wohl mehr auf Deutschlands Straßen geben, stand in der Zeitung. Muss man mal probieren, dachte ich.
Gesagt getan. Im Netz gebucht, pünktlich am Busbahnsteig acht in Friedrichshafen eingefunden. Und siehe da: trotz Freitagabendverkehr mit nur zehn Minuten Verspätung taucht das grüne Gefährt aus Zürich auf. Ein wortkarger Busfahrer checkt auf seinem Smartphone vor dem Einstieg die Buchungsbestätigung („Name?“) und schon geht‘s los. Der Bus voll besetzt, aber die nötigen Plätze für die Zugestiegenen sind noch frei. Sieht doch ganz gut aus: die angenehme Beinfreiheit fällt gleich mal positiv auf, das versprochene W-LAN für maximal acht User kann ich mit meinem antiken Handy nicht überprüfen. Und Hinweise auf die beworbenen Snacks und den Kaffee gibt es keine. Die versprochene Bordtoilette ist aber da.
Nun gibt es ja doch so ein paar Dinge auf der Welt, die man nicht unbedingt gesehen haben muss. Dazu gehören für mich eindeutig Bus-WCs. Zugtoiletten sind schon suspekt bis ekelhaft genug, aber erst im Bus? Nee, lass mal. Keine Ahnung, wie man da überhaupt unfallfrei reinkommt. Ich will auch gar nicht wissen, wie es darin mehrere Stunden nach Fahrtbeginn üblicher Weise so aussieht. Deshalb verkneif ich‘s mir lieber. Doch natürlich gibt es auch Mitfahrer mit schwächerer Blase, und so steigt bereits kurz hinter Lindau der erste hinunter in die Dunkelkammer. Denn das Licht, soviel hat sich im Bus schnell herumgesprochen, geht nicht. Und auch die Toilette an sich „funktioniert nicht“, berichtet auf Höhe Leutkirch warnend ein Wiederkehrer. Das hält natürlich trotzdem keinen seiner Nachfolger vom Versuch ab, bis dann eine ältere Dame konkreter wird, den defekten Zustand des stillen Örtchens unmissverständlich bestätigt und meinen Ressentiments damit weitere Nahrung liefert: Stimmt, geht nicht. War ihr wohl offenbar in dem Moment egal, aber: „Wenn jetzt noch einer draufmacht, dann läuft sie über“, lässt sie die hintere Bushälfte wissen. Und ihr junger Nebensitzer ergänzt: „Das war beim letzten Mal auch schon so.“ Er fährt zum zweiten Mal mit MeinFernbus und gehört damit schon zu den alten Hasen hier, scheint es. Diesmal hat er aber zu seinem Bedauern die freundliche Willkommen-an-Bord-Ansage des Fahrers vermisst.
Aber hey: 21 Euro. Und recht entspannt ist die Fahrt schon. Abgesehen von der in ihrer Kapazität erschöpften Toilette gibt es keine besonderen Störungen mehr. Während sich die Nebensitzerin zweieinhalb Stunden lang schweigend mit ihrem Smartphone beschäftigt, findet man selbst im als Reiselektüre leider spontan im Bahnhofskiosk erstandenen NEON-Mag tatsächlich keinen einzigen Artikel, der nach kurzem Überfliegen als lesenswert erachtet wird. Egal, wir sind ja schon da. Mit zwanzigminütiger Verspätung biegt der namenlose Fahrer in den Münchner ZOB ein. Fazit des Bodenseebass-Fernbus-Checks: Passt! Die Rechnerei, ob die kalkulierte Umsteigezeit in Ulm auch ausreicht, fällt weg. Und mit planmäßig zweieinviertel Stunden ist man per Fernbus auch schneller in der bayrischen Hauptstadt als mit der Eisenbahn. Gut, während der Wiesn würd ich jetzt nicht unbedingt fahren wollen (nicht nur wegen des Klos), aber sonst. Kann ich empfehlen. Damit wächst der Bodensee im besten stoiberschen Sinne quasi näher an Bayern heran.
Grund des München-Trips by Bus war aber natürlich nicht die Anreise an sich (und auch nicht das leckere Viergängemenü meines Gastgebers – danke nochmal!), sondern ein Clubbesuch im altehrwürdigen Muffatcafé. Feine, überschaubare Lokalität, die ich noch von einem eigenen DJ-Gig bei den inzwischen eingestellten „Southern Sessions“ kannte. Diesmal hat „Into Somethin’“, die vor 21 Jahren ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe aus dem Compost-Records-Umfeld, zur Revival-Party geladen. Und gekommen ist ein Publikum, das man sogar in Großstädten so wohl nur selten auf einem Haufen sieht. Hoher Altersdurchschnitt, Ausdruckstänzerinnen weit jenseits der 30, erstaunlich viele tanzfreudige Männer fortgeschrittenen Alters mit nicht zu verbergenden Bauchansätzen, was ihrer körperlichen Agilität aber keinen Abbruch tut. Zwar dazwischen auch weibliche Dorfjugend, die besoffen im Kreis um ihre auf der Tanzfläche platzierten Handtaschen herumschwooft. Aber insgesamt: sympathische Leute und feine Musik. Den Anfang machen deepe Rap-Tracks, dann viel Percussionmucke und Klassiker von Hip Hop über Dancefloorjazz, Trip Hop, Funk und Soul. Dazwischen auch unvermittelt der eine oder andere Drum&Bass-Hit. Zur späteren Stunde im wilden Wechsel Portisheads „Strangers“ mit „Super Sharp Shooter“ oder den Sneaker Pimps. Volle Pulle Neunziger. Schön war‘s.
Am nächsten Tag statt Wurst mit Senf beim Giesinger Fanfest vom TSV 1860 doch lieber in die Stadt gefahren und ein bisschen Kultur und Wochenendtreiben mitgenommen, am vollgestopften Apple-Store vorbei zur Vitaminaufnahme am Saftstand auf dem Viktualienmarkt und zum Abschluss nebenan ins „Kaffee und mehr“.
Hatte leider schon zu: der Wurzel-Sepp
Dann Rückfahrt mit Fernbus, klaro. Diesmal aber zwei Fahrer am Start, der Begleiter mit Pferdeschwanz stellt sich selbst als Franzose und den Piloten Fahrer als „Stefan“ vor – begrüßt in aller Ausführlichkeit den diesmal nur halb besetzten Bus („Bitte alle anschnallen, das ist bei uns Pflischd; bist du auch schon angeschnallt, Schdefan?“), prognostiziert eine pünktliche Ankunft in Friedrichshafen und der Endstation Freiburg und bietet Apfelschorle und Snacks feil. Also doch. Nur das Wetter in den Ankunfstorten à la „In Friedrichshafen erwartet uns ein wolkenfreier Himmel bei 18 Grad“ fehlt jetzt noch als Information des Stewards. Mit übrigens offenbar funktionierender Toilette geht es dann zehn Minuten schneller als es der Fahrplan verspricht wieder zurück an den See, wo mir der Franzose per Bordmikro noch „ein schönes Wochenende“ wünscht. Danke, ebenfalls.
Point of No Return: Nonstop durchs Allgäu…
…zurück an den See.