„Papa, ich will ne Yacht.“ Trifft sich gut, schließlich ist gerade quasi vor der Haustüre die Interboot. Da wird sich ja wohl ein Schnäppchen finden lassen. Hier trifft der kleine auf den großen Geldbeutel. Hier wird das rabattierte Bodyboard für schlappe 30 Euro gleich neben dem Millionendampfer feilgeboten. Und nebenbei erfährt der Interboot-Besucher schon jetzt, was die Saison 2018 in puncto Wassersport so bringen wird. Zum einen: Elektromobilität! E-Yachten, stark im Kommen. Und der Megatrend überhaupt: Foilen!
Die Funsport-Pros unter den Lesern kennen’s, dem Rest sei’s erklärt. Foilen geht so: Der fahrbare Untersatz – ob Kitesurfbrett, Wakeboard oder Segelboot – erhebt sich wie von Geisterhand aus dem Wasser und schwebt dahin, stabilisiert von einer Art Tragfläche. Oder so ungefähr eben. Sieht scheiße aus? Schon, aber das gilt für knöchelfreie Männerhosen gleichermaßen, und die werden schließlich auch getragen. „Segeln Sie noch, oder foilen Sie schon?“ fragt das Yacht-Magazin also völlig zu Recht. Foilen – ein Thema, das derzeit steil durch die Decke geht. Wie sehr, das sieht man beim Fachvortrag („Freizeitpiloten über den Wellen – Segeln zweieinhalb Mal so schnell wie der Wind“) in Halle A3: Zwei Referenten, zwei Zuhörer. Davon macht einer was am Smartphone und wartet auf seine Frau, der andere döst. Mist, jetzt haben die Mikrofonmänner mich ins Visier genommen. Ich muss schnell weiterfoilen, sonst holen die mich noch auf die Bühne.
Schon bin ich der Fun- und Trendsporthalle gelandet. Alles schön bunt hier. Neoprenanzüge, Hang-Loose-Shirts, Aloha-Flavour, Surfer-Klamotten, Holzkettchen… und SUP-Bretter in Reih und Glied. SUP. Stand Up Paddling. Stehpaddeln – mein Sport und heißer Scheiß Nummer drei bei der Interboot 2017. Das erste Mal im meinem Leben, dass ich irgendwas mache, das als „Trend“ gilt. Abgesehen vom BMX-Fahren in den Achtzigern und vom Drum&Bass-Auflegen in den Neunzigern. Und vielleicht von meinem Vollbart.
Tischtennis, Fußball, Tennis, Geräteturnen und Zirkeltraining – schon in Kindheit und Jugend abgehakt. Die Blamage auf dem Skateplatz habe ich mir in weiser Voraussicht erspart. Wintersport ist auch nix für mich. Und andere Risikosportarten wie Klettern, Fallschirmspringen oder Fitnessstudio meide ich sowieso. Von daher habe ich quasi mein ganzes Leben aufs SUP gewartet. Und vor einigen Jahren war es dann soweit. Als die ersten Stehpaddler am Bodensee vereinzelt auftauchten, war die Neugier geweckt. Irgendwie sah das faszinierend aus. Anmutig, entspannend.
Das kann jeder, hieß es. Kinderleicht zu lernen, hieß es. Ein Sport für jedermann und -frau, ob hüftsteife Oma oder adipöser Mittdreißiger mit zwei linken Beinen, hieß es. Come on! Jaja, nach knapp zwei Sekunden in stehender Position endete meine Premiere im Wasser. Und der zweite Versuch dauerte nicht wesentlich länger. Und beim dritten Mal… Ich kürze die Geschichte ab: Übung macht den Meister, irgendwann hat‘s halt peng gemacht und der Genuss konnte beginnen. Erfahrene SUPer wissen, was ich meine, Kajakfahrer und Kampfschwimmer wissen es nicht: geniale Perspektive durch die erhöhte Position, der absolute Fokus auf den Augenblick. Sprich: völliges Ausklinken vom Alltag.
Obwohl also ganz offiziell Trend, ziehst du auf dem SUP-Brett selbst im Sommer 2017 noch neugierige Blicke, filmende Touristenhandys und Fragen („Was kostet das?“) auf dich. Und jüngst half ich einem bootfahrenden Geocacher, der seine Badehose vergessen hatte, beim Heben eines im See versenkten Schatzes. Ist so passiert, ich schwör.
Am besten ist Stehpaddeln aber dann, wenn der See gerade erst erwacht, die Motorboote noch im Hafen vertäut und ihre Besitzer beim Brunchen sind. Nur du, der See, dein Brett. Unter dir mal ein dicker Wels, über dir eine lauthals schimpfende Möwe und neben dir eine naseweise Ente. Ansonsten: Stille. Und dann gleitest Du so vor dich hin und bist ganz bei dir. Und dein sportliches Gewissen ist blütenrein, schließlich tust Du ja was.
SUP-Fahren (siehe Plakat oder auch Apotheken Umschau) trainiert so ziemlich alle Muskeln, die du hast oder nicht hast, ohne dass man‘s merkt – beziehungsweise, je nach Wellengang, erst am Tag danach. Hashtag: Muskelkater. Und nach einem ordentlichen Paddelsommer hast du einen Hintern wie ein 20-Jähriger. Übern Winter fällt er dann zwar jedes Mal wieder altersgerecht in sich zusammen, aber da kann man nix machen. Oder doch? Klar, mit dem „drySUP“. 660 Euro und du kannst vor der Glotze SUPen, während draußen der See zufriert. Bloß etwas sperrig das Ding, und zum Aufblasen gibt’s das noch nicht. Nächstes Jahr vielleicht als Messeneuheit.
Aber was machen wir nun mit der Yacht? Nächste Messehalle, Swiss@INTERBOOT. Hier sprechen die Verkäufer Schwyzerdütsch. Au Backe, jetzt wird’s teuer, denkt man sich. Doch so schlimm ist es gar nicht. Messepreise, Baby! Für gut 133.000 Euro, nicht Franken, kriegst du schon was Ordentliches.
Schick, aber sind die weißen Polster nicht arg empfindlich? Und eine Kabine fehlt auch. Der Blick fällt auf ein Raumschiff, das ohne Weitwinkel gar nicht ganz aufs Foto passt. Nicht im Bild: die sich auf dem Deck räkelnden Bondgirls. Sieht doch nett aus. Und das Interieur liest sich auch gut: Holzboden im Salon, Klimaanlage, dimmbare Cockpitleuchten.
Nur die Rumpf-Lackierung ist mir zu prollig, was Schlichteres wäre mir lieber. Schließlich möchte ich ein Nutzfahrzeug und keinen Wasser-GTI. Aber ich denke, das ist in der Preisliga reine Verhandlungssache. Apropos, was kostet mich das Ganze? Listenpreis 332.000 Euro, aber mit den nötigen Extras, so wie es dasteht, 610.000. Donnerwetter, da hatte ich jetzt mit mehr gerechnet. Dafür bekommst du in erster Seereihe zwischen Bregenz und Konstanz keine Vierzimmer-Wohnung. „Ich spreche mit der Bank“, sage ich, „und meld‘ mich wieder“.
Hier weitere exklusive Bilder von der Interboot 2017:
Unvermeidlich: Social Wall zum Hashtaggen.
Liebe zum Detail: Plüschtier in der Schlafkajüte.
Welcher Skipper kennt das Problem nicht: Schimmel an Bord. Doch auch dafür gibt’s auf der Interboot ne Lösung.
Do it yourself: Haken und Ösen zum Selbermachen.
Millionäre in Socken – das gibt’s nur auf der Interboot. Dagegen nicht so gerne auf dem Deck gesehen: Blogger-Kinder.
Safety first beim Wassersport: Die Polizei informiert, und ihr Messestand aus dem Jahre 1984 sieht immer noch gut aus.
Cooler als Foilen: die DLRG-Badeente XXL.
Letztes Jahr schon auf der Interboot, im wirklichen Leben aber noch nie erblickt: das Tret-SUP.
Für Notfälle: das Rettungsbag, das sich bei Gefahr per Druckluft aufblasen lässt. Und weil die Messe-Dame bei der Vorführung so geduldig und freundlich war, gibt’s hier unbezahlte Reklame: www.restube.com
Auch trendy: Spielzeuge für den Pool.
SUPmania.
The best things in life are free.