MV wird 80


Foto: Memorino (Creative Commons/Wikipedia)

Offtopic: Wir haben heute ein besonderes Geburtstagskind, das zumindest jeder Baden-Württemberger kennen dürfte: Gerhard Mayer-Vorfelder (sprich: Emm-Fau), eine ganz vorsichtig ausgedrückt nicht ganz unumstrittene Figur mit oft fragwürdigen Ansichten und einem Gutsherrenstil der alten Schule. Geschadet hat ihm das nie. Der gute Mann hat mehr Affären ausgesessen, mehr Skandale überstanden als die meisten seiner Politikerkollegen und ist dabei sogar stets weiter nach oben gestiegen. Am Ende wurde er sogar Boss des DFB und hohes Tier bei der FIFA.

Für die Jüngeren unter der Leserschaft: MV war zuvor lange Jahre Kultus- und Finanzminister im Ländle und gerade in erster Funktion unter den Schülern berühmt-berüchtigt. Aber eigentlich war er ja in erster Linie Dauerpräsident des VfB Stuttgart und damit Lieblingshassobjekt der Kurve. „Vorfelder raus“ gehörte zum Standardschlachtruf im Neckarstadion seit ich denken kann. Es dürfte ihm aber so ziemlich am Allerwertesten vorbeigegangen sein, was der Pöbel über ihn denkt, denn so sicher wie er saß keiner im Sattel. Und als der Patriarch dann schließlich doch abtrat, war sein Klub fast pleite. Nicht schlecht für einen Ex-Finanzminister.

Wie dem auch sei: MV wird heute achtzig. Und wir erheben das Glas (wenn man das noch ungestraft sagen darf).

Hang the DJ

Okay, den Rummel um die GEMA-Reform hat ja wohl jeder mitgekriegt. Riesenaufregung. Abzocke von Clubbetreibern, alle Diskos bald am Ende, Proteste, Shitstorm, Skandal. Kennste? Kennste. Aber nun wird es erst richtig lustig. In Bälde kommt da ein neuer GEMA-Tarif um die Ecke gegrätscht, der nicht die dicken, kohlescheffelnden Clubmanager, sondern den kleinen DJ von nebenan persönlich an die Kandare nimmt. Tarif VR-Ö heißt das Ding.

Worum geht’s? Um den Platten- oder CD-Koffer des DJs beziehungsweise sein Laptop. Bisher waren die Gebühren für kopierte Tonträger den Clubs mit in Rechnung gestellt worden, nun werden die MP3-Aufleger selbst zur Kasse gebeten – oder unter gewissen Umständen auch nicht. So richtig blickt man da ja spontan nicht durch. Die De:Bug hat sich die Mühe gemacht, das Ganze ausführlichst zu erklären und netterweise auch ein Schaubild zu malen, das den Wahnsinn bestens illustriert. Und wir lernen schnell: File ist nicht gleich File.

Also, Fallbeispiel eins: Du legst mit selbstgebrannten CDs auf? Pech, musste zahlen. Pro Track 0,13 Euro. Fallbeispiel zwei, und jetzt wird’s kompliziert: Du kaufst eine MP3, ganz legal, nehmen wir jetzt mal an, und lädst sie auf Deinen Rechner. Soweit ist alles safe. Aber sobald Du Dir zum Auflegen das File auf Dein Laptop oder einen Stick ziehst oder eine CD brennst, überschreitest Du die rote Linie. Die abgespielte Datei wird gebührenpflichtig. Ob da ein Aufseher an der Kanzel steht und mitschreibt oder ob ein fieser GEMA-Trojaner auf Deinem Notebook das automatisch erledigt und die fälligen Gebühren gleich abbucht – keine Ahnung. Vielleicht gibt es ja auch Hausbesuche à la GEZ durch Außendienstmitarbeiter.
Sicher ist nur: Das Ganze tritt am 1. April (sic!) in Kraft. Das heißt bei der folgenden Veranstaltung, die wir Euch jetzt schon wärmstens ans Herz legen, wird noch alles beim Alten sein:

So ist es an besagtem Abend GEMA-mäßig völlig egal, ob Kollege Double-L von seinen frisch codierten Beatport-MP3s die bald kostenpflichtige Sicherungskopie spielt oder vor lauter Verwirrung doch wieder seine Vinylscheiben auspackt. Die sind nämlich auch nach dem Stichtag völlig lizenzgebührenfrei.

Unterwegs: München by Bus

Der Bodenseebass-Check: Mit dem Fernbus vom See nach München.

Foto: flickr.com/uspn

Es gibt ja Leute, die Busfahren generell ablehnen. Der Autor selbst gehört da zwar nicht dazu, räumt aber ein, Busreisen von mehrstündiger Dauer seit dem Schullandheim in Klasse neun und einem eher irrwitzigen London-Trip eher zu meiden. Doch DAS Angebot war zu verlockend. Friedrichshafen-München per Omnibus, hin und zurück 21 Euro. Unschlagbar, Kampfpreis. Nur Schwarzfahren ist billiger. MeinFernbus.de nennt sich das Ganze und deckt die Linien zwischen Zürich und München beziehungsweise Freiburg und München ab. Zwischenstopps am See: Konstanz, Meersburg und eben Friedrichshafen. Wusste ich gar nichts davon, bis ich kürzlich einen der knallgrünen Busse hab rumfahren sehen. War ja bisher überwiegend dank Fernverbindungsmonopol Sache der Bahn, aber ab 2013 wird‘s von der Sorte wohl mehr auf Deutschlands Straßen geben, stand in der Zeitung. Muss man mal probieren, dachte ich.

Gesagt getan. Im Netz gebucht, pünktlich am Busbahnsteig acht in Friedrichshafen eingefunden. Und siehe da: trotz Freitagabendverkehr mit nur zehn Minuten Verspätung taucht das grüne Gefährt aus Zürich auf. Ein wortkarger Busfahrer checkt auf seinem Smartphone vor dem Einstieg die Buchungsbestätigung („Name?“) und schon geht‘s los. Der Bus voll besetzt, aber die nötigen Plätze für die Zugestiegenen sind noch frei. Sieht doch ganz gut aus: die angenehme Beinfreiheit fällt gleich mal positiv auf, das versprochene W-LAN für maximal acht User kann ich mit meinem antiken Handy nicht überprüfen. Und Hinweise auf die beworbenen Snacks und den Kaffee gibt es keine. Die versprochene Bordtoilette ist aber da.

Nun gibt es ja doch so ein paar Dinge auf der Welt, die man nicht unbedingt gesehen haben muss. Dazu gehören für mich eindeutig Bus-WCs. Zugtoiletten sind schon suspekt bis ekelhaft genug, aber erst im Bus? Nee, lass mal. Keine Ahnung, wie man da überhaupt unfallfrei reinkommt. Ich will auch gar nicht wissen, wie es darin mehrere Stunden nach Fahrtbeginn üblicher Weise so aussieht. Deshalb verkneif ich‘s mir lieber. Doch natürlich gibt es auch Mitfahrer mit schwächerer Blase, und so steigt bereits kurz hinter Lindau der erste hinunter in die Dunkelkammer. Denn das Licht, soviel hat sich im Bus schnell herumgesprochen, geht nicht. Und auch die Toilette an sich „funktioniert nicht“, berichtet auf Höhe Leutkirch warnend ein Wiederkehrer. Das hält natürlich trotzdem keinen seiner Nachfolger vom Versuch ab, bis dann eine ältere Dame konkreter wird, den defekten Zustand des stillen Örtchens unmissverständlich bestätigt und meinen Ressentiments damit weitere Nahrung liefert: Stimmt, geht nicht. War ihr wohl offenbar in dem Moment egal, aber: „Wenn jetzt noch einer draufmacht, dann läuft sie über“, lässt sie die hintere Bushälfte wissen. Und ihr junger Nebensitzer ergänzt: „Das war beim letzten Mal auch schon so.“ Er fährt zum zweiten Mal mit MeinFernbus und gehört damit schon zu den alten Hasen hier, scheint es. Diesmal hat er aber zu seinem Bedauern die freundliche Willkommen-an-Bord-Ansage des Fahrers vermisst.

Aber hey: 21 Euro. Und recht entspannt ist die Fahrt schon. Abgesehen von der in ihrer Kapazität erschöpften Toilette gibt es keine besonderen Störungen mehr. Während sich die Nebensitzerin zweieinhalb Stunden lang schweigend mit ihrem Smartphone beschäftigt, findet man selbst im als Reiselektüre leider spontan im Bahnhofskiosk erstandenen NEON-Mag tatsächlich keinen einzigen Artikel, der nach kurzem Überfliegen als lesenswert erachtet wird. Egal, wir sind ja schon da. Mit zwanzigminütiger Verspätung biegt der namenlose Fahrer in den Münchner ZOB ein. Fazit des Bodenseebass-Fernbus-Checks: Passt! Die Rechnerei, ob die kalkulierte Umsteigezeit in Ulm auch ausreicht, fällt weg. Und mit planmäßig zweieinviertel Stunden ist man per Fernbus auch schneller in der bayrischen Hauptstadt als mit der Eisenbahn. Gut, während der Wiesn würd ich jetzt nicht unbedingt fahren wollen (nicht nur wegen des Klos), aber sonst. Kann ich empfehlen. Damit wächst der Bodensee im besten stoiberschen Sinne quasi näher an Bayern heran.

Grund des München-Trips by Bus war aber natürlich nicht die Anreise an sich (und auch nicht das leckere Viergängemenü meines Gastgebers – danke nochmal!), sondern ein Clubbesuch im altehrwürdigen Muffatcafé. Feine, überschaubare Lokalität, die ich noch von einem eigenen DJ-Gig bei den inzwischen eingestellten „Southern Sessions“ kannte. Diesmal hat „Into Somethin’“, die vor 21 Jahren ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe aus dem Compost-Records-Umfeld, zur Revival-Party geladen. Und gekommen ist ein Publikum, das man sogar in Großstädten so wohl nur selten auf einem Haufen sieht. Hoher Altersdurchschnitt, Ausdruckstänzerinnen weit jenseits der 30, erstaunlich viele tanzfreudige Männer fortgeschrittenen Alters mit nicht zu verbergenden Bauchansätzen, was ihrer körperlichen Agilität aber keinen Abbruch tut. Zwar dazwischen auch weibliche Dorfjugend, die besoffen im Kreis um ihre auf der Tanzfläche platzierten Handtaschen herumschwooft. Aber insgesamt: sympathische Leute und feine Musik. Den Anfang machen deepe Rap-Tracks, dann viel Percussionmucke und Klassiker von Hip Hop über Dancefloorjazz, Trip Hop, Funk und Soul. Dazwischen auch unvermittelt der eine oder andere Drum&Bass-Hit. Zur späteren Stunde im wilden Wechsel Portisheads „Strangers“ mit „Super Sharp Shooter“ oder den Sneaker Pimps. Volle Pulle Neunziger. Schön war‘s.

Am nächsten Tag statt Wurst mit Senf beim Giesinger Fanfest vom TSV 1860 doch lieber in die Stadt gefahren und ein bisschen Kultur und Wochenendtreiben mitgenommen, am vollgestopften Apple-Store vorbei zur Vitaminaufnahme am Saftstand auf dem Viktualienmarkt und zum Abschluss nebenan ins „Kaffee und mehr“.


Hatte leider schon zu: der Wurzel-Sepp

Dann Rückfahrt mit Fernbus, klaro. Diesmal aber zwei Fahrer am Start, der Begleiter mit Pferdeschwanz stellt sich selbst als Franzose und den Piloten Fahrer als „Stefan“ vor – begrüßt in aller Ausführlichkeit den diesmal nur halb besetzten Bus („Bitte alle anschnallen, das ist bei uns Pflischd; bist du auch schon angeschnallt, Schdefan?“), prognostiziert eine pünktliche Ankunft in Friedrichshafen und der Endstation Freiburg und bietet Apfelschorle und Snacks feil. Also doch. Nur das Wetter in den Ankunfstorten à la „In Friedrichshafen erwartet uns ein wolkenfreier Himmel bei 18 Grad“ fehlt jetzt noch als Information des Stewards. Mit übrigens offenbar funktionierender Toilette geht es dann zehn Minuten schneller als es der Fahrplan verspricht wieder zurück an den See, wo mir der Franzose per Bordmikro noch „ein schönes Wochenende“ wünscht. Danke, ebenfalls.


Point of No Return: Nonstop durchs Allgäu…


…zurück an den See.